Ist Stress ein Optimismus-Killer?

Stress und Optimismus

 

Unter Optimismus versteht man in der Psychologie eine Tendenz, bei welcher die Wahrnehmung mehr auf positive als auf negative Nachrichten und Ereignisse gelenkt wird. Eine aktuelle experimentelle Studie (The Journal of Neuroscience, 2018,0716-18) hat gezeigt, dass Optimismus sinkt, wenn Menschen sich bedroht und gestresst fühlen.

 

Nach Meinung der Autoren der Studie tendieren wir in der Regel zum Optimismus, da wir allgemein eher nach dem Positiven streben. Die Forscher zeigten, dass Optimismus eher mit einem entspannten Zustand einhergeht. Unter Stress ging die Wahrnehmung der Studienteilnehmer in eine entgegengesetzte Richtung: sie reagierten verstärkt auf negative Informationen und negative Nachrichten, sogar wenn diese Informationen nichts mit dem relevanten direkten Stressor zu tun hatten.

 

Aus den früheren Forschungen ist bereits bekannt, dass Menschen meist dazu tendieren, positive Informationen zu verarbeiten und aufzunehmen, wenn diese zu ihren inneren Überzeugungen passen. Diese optimistische Tendenz steigert unser Wohlbefinden und unsere Motivation. Sie kann allerdings unter bestimmten Umständen ungünstig wirken, wenn wir dadurch ernsthafte Gefahren und Risiken unterschätzen.

 

Die Forscher stellten daher die Frage, welche Bedingungen können den Einfluss darauf haben, dass Menschen die positiven Informationen bevorzugen.

 

Die Studie fand sowohl im Labor als auch in einer natürlichen Umgebung statt. Im Labor wurde eine Teilnehmergruppe vor die Aufgabe gestellt, eine Reihe stressauslösender Tests zu absolvieren und anschließend eine Rede vor einer Jury zu einem unbekannten Thema zu halten. Die andere Teilnehmergruppe sollte dagegen eine einfache schriftliche Aufgabe lösen. Dabei wurde das Stresslevel bei Probanden mittels Angstfragebogen und Messung von Stresshormon Cortisol und von Hautleitwiderstand als Stressparameter erfasst.

 

Das Experiment bestand nun darin, dass diese beiden Gruppen das Risikoniveau unterschiedlicher kritischer Lebensereignisse (wie z.B. ein Opfer des Einbruchs zu sein, Verlust der Kreditkarte, etc.) einschätzen sollten. Anschließend wurden sie mit realen, entweder schlechten oder guten Nachrichten, konfrontiert und schließlich darum gebeten einzuschätzen, wie hoch ihr persönliches Risiko in der Situation wäre.  

 

Wie erwartet, haben die Probanden, die messbar weniger gestresst und viel mehr entspannter waren, bevorzugt die guten Nachrichten im Vergleich zu schlechten als für sich relevant eingestuft. Sie unterschätzten die Relevanz persönlicher Risiken auch dann, wenn Ihnen mitgeteilt wurde, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bedrohlicher Ereignisse höher ist als von ihnen angenommen. Die gestressten und ängstlichen Probanden waren im Vergleich zu der Gruppe der entspannten Probanden deutlich sensibler gegenüber negativen Nachrichten und gab diesen eine größere Bedeutung.  

 

Die Studie wurde zusätzlich in einer realen, stressassoziierten Alltagssituation wiederholt. Die Probanden waren diesmal Feuerwehrleute in ihrem Berufsalltag, die zwischen den Einsätzen die gleichen Aufgaben wie oben beschrieben online durchführen sollten. Das unterschiedliche, einsatzabhängige Stressniveau der Feuerwehrleute wurde ebenso mit Fragebögen gemessen. Auch unter diesen Bedingungen zeigten sich die gleichen Ergebnisse: je weniger gestresst Feuerwehrleute waren, desto mehr Optimismus zeigten sie.

Die Autoren kommen zu einem wichtigen Schluss. Die Fähigkeit zum Pendeln zwischen einer verstärkten Wahrnehmung des Positiven (dem Optimismus) und der verstärkten Wahrnehmung des Negativen scheint sehr wichtig zu sein.  Bei Gefahren werden die Stressreaktionen aktiviert und verstärken die Wahrnehmung der Gefahrenquelle und des Risikos, was für die Bewältigung des akuten Problems und der Gefahr sehr wichtig sein kann.  Andererseits erkennt unser Organismus, dass in einer entspannten Umgebung es keinen Sinn macht, andauernd achtsam nach Gefahren zu sein, so dass negative Informationen tendenziell weniger Beachtung finden.  

 

Die Ergebnisse der Studie bestätigen aus meiner Sicht, dass die Entspannung unsere Fähigkeit zum Optimismus auf natürliche Weise positiv beeinflussen kann. Außerdem kann dieser Forschungsbefund für das Verständnis von Angststörungen wichtig sein. Bei einer Angststörung befindet sich der Körper in einer übermäßigen Alarmbereitschaft, obwohl keine reale Gefahr existiert. Das Pendeln zwischen dem gesunden Optimismus und einer überlebenswichtigen Mobilisierung der Gefahrenerkennung zur Bewältigung eines tatsächlichen Stressors funktioniert vermutlich nicht mehr optimal. Sowohl die Überschätzung als auch die Unterschätzung der Gefahren kann also sich ungünstig auf unsere psychische Gesundheit auswirken. Wie so oft im Leben, scheint auch hier der mittlere Weg der sinnvollste zu sein.

 

Quelle:

https://www.sciencedaily.com/releases/2018/08/180806152034.htm

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