mobile Achtsamkeit: app-basiertes Training zum Vorbeugen von Burnout

Achtsamkeitstraining mit Mobilgeräten möglich

Das Konzept der Achtsamkeit, das seine Wurzeln in der buddhistischen Tradition hat, fand bereits in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts den Eingang in die Psychotherapie. Dr. Jon Kabat-Zinn, emeritierter Professor der University of Massachusetts, USA, erregte zunächst das Aufsehen der Fachwelt durch die Erforschung der Achtsamkeit mit dem Ziel der Heilung körperlich erkrankter Menschen. Sein Gruppenprogramm „Mindfulness-Bases Stress-Reduction“ (MBSR) ist mittlerweile in zahlreichen Studien untersucht worden und wird erfolgreich in unterschiedlichsten Indikationsbereichen eingesetzt. Dieses Gruppenprogramm wurde für die Bedürfnisse der Psychotherapie modifiziert und findet als „Mindfulness-Based Cognitive Therapie“ (MBCT) in der Verhaltenstherapie eine breite Anwendung. Empirische Studien bestätigen eine hohe Wirksamkeit von MBCT bei Behandlung von Angst, Sucht, Essstörungen, Burnout, Persönlichkeitsstörungen, Traumafolgestörungen, Psychosen und Schmerz. MBCT gilt unter anderem als eine wissenschaftlich überprüfte effektive Methode zum Vorbeugen von Rückfällen bei Depressionen (Weiß, H. & Harrer, M., 2010).

Was zeichnet Achtsamkeit aus?

Achtsamkeit ist eine Art bewertungsfreier, konzentrierter und bewusster Wahrnehmung innerer und äußerer Ereignisse und Erfahrungen. Dabei wird der Versuch, diese Ereignisse zu analysieren oder verändern zu wollen unterlassen. Dadurch begeben wir uns in die Position eines freundlichen, neutralen Beobachters. Wir lernen, das Wahrgenommene distanziert und nüchtern zu betrachten, ohne es durch unsere individuellen Denkmuster bzw. subjektive Analysen zu verzerren und ohne darauf impulshaft zu reagieren. Wir erlauben den Dingen so zu sein wie sie sind. Wir geben die innere Forderung auf, dass Dinge in unserem Leben anders sein sollen als sie gerade sind. Wir akzeptieren die Realität des Augenblicks mit allen seinen Facetten. 

 

 

Bei Achtsamkeit geht es aber nicht um ein passives Hinnehmen oder um eine Resignation! Es geht vielmehr um eine Fähigkeit, welche uns hilft, aus den jenigen automatisch ablaufenden Prozessen auszusteigen, die uns schaden. Achtsamkeit ermöglicht uns einen Freiraum: wir sind frei für eine bewusste Entscheidung für eine gesunde Alternative, da wir nicht mehr automatisch und eingeschliffen reagieren müssen. Um diesen Freiraum und diese gesunde Alternative überhaupt wahrnehmen zu können, benötigen wir zunächst eine bewusste Übung im Wahrnehmen. Es ist vergleichbar mit dem Laufen auf einem zugefrorenen See: um durch ein sinnvolles Setzen der einzelnen Schritte sicher voranzukommen, müssen wir zunächst wahrnehmen, dass wir uns auf einer Eisfläche befinden. Dafür müssen wir achtsam sein und den gegebenen Zustand radikal akzeptieren: denn akzeptiere ich nicht, dass die Fläche sehr glatt ist und laufe darauf los, werde ich schnell ausrutschen und fallen.

 

Achtsamkeit hilft uns, eine bessere Intuition zu entwickeln, unsere Bedürfnisse wahrzunehmen und bessere Entscheidungen zu treffen. Achtsamkeit hilft uns außerdem das, was wir nicht verändern können radikal und selbstschädigungsfrei zu akzeptieren.

 

Im psychotherapeutischen Kontext bedeutet Achtsamkeit:

 

eine konzentrierte und freundliche-erlaubende, akzeptierende Aufmerksamkeitslenkung auf das, was im gegenwärtigen Moment innen und außen geschieht und zwar:

 

  • ohne es zu bewerten oder zu analysieren (neutraler Beobachter)
  • ohne darauf zu reagieren und ohne das Wahrgenommene verändern zu wollen (Distanzierung von einer automatischen Reaktion hin zur Vorbereitung auf eine für uns sinnvolle, bewusste Antwort). 

„Mindfulness is reaction without reacting“ (Prof. John Marcowitz, Cornell University Medical College, New York, USA)

 

Wir erlauben dem was gerade da ist, für diesen Augenblick da zu sein. Das verschafft uns die Möglichkeit für das Innehalten (ein aktives Nicht-Tun), welches zwischen dem Reiz und der automatisierten eingeschliffenen Reaktion liegt (Anderssen-Reuster, 2011).

 

Durch Achtsamkeit öffnen wir uns freundlich und akzeptierend für das Ungeliebte (auch z.B. für schwierige Gefühle, Schmerzen) und dieses Ungeliebte verliert dadurch seine Bedrohlichkeit. Die Gefühle können wieder gefühlt werden ohne dass wir schädigende emotionsvermeidende Reaktionen (z.B. Flucht bei einer unberechtigten Angst, Rückzug bei einer Depression, übermäßiges Essen bei Frustration) einschalten. Mit Hilfe von Achtsamkeit können wir präsenter im Alltag sein, um zu neuen, gesünderen Wegen zu gelangen.

 

Das Ziel der Achtsamkeitspraxis ist aus dieser Perspektive nicht Entspannung und Wohlbefinden, sondern Entwicklung von Selbstmitgefühl und Gelassenheit. Diese wertvolle innere Haltung ist darauf ausgerichtet, das Leiden aufgrund eines im Augenblick vorhandenen Schmerzes zu überwinden.

 

Das app-basierte Training der Achtsamkeit

 

Achtsamkeitstrainings werden in Form von meditativen Basisübungen durchgeführt. Im psychotherapeutischen Rahmen finden diese sowohl im Gruppen- als auch im Einzelsetting statt. Das Achtsamkeitstraining erfordert eine kontinuierliche Übung. Diese kann im Alltag durch Medien unterstützt werden.

 

Die Forscher der Universität Witten-Herdecke haben in einer Studie gezeigt, dass auch mobile Apps dabei sinnvoll eingesetzt werden können. In einer Studie haben sie den berufstätigen Probanden ein 2-wöchiges Achtsamkeitstraining, unterstützt durch eine Achtsamkeits-App (7mind), angeboten. Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigten die Nutzer des Trainings nach der Testphase signifikant höhere Werte in Bezug auf Achtsamkeit, Arbeitsmanagement, Arbeitszufriedenheit, emotionale Intelligenz, Innovation und Kreativität sowie Selbstwirksamkeit, aber auch geringere Werte in der emotionalen Erschöpfung. Die Forscher kommen zum Ergebnis, dass die mobile App einen einfachen und flexiblen Einstieg zur Stärkung von Achtsamkeit im Alltag bietet.

 

Quellen:

Möltner H. et al.: Burnoutpräventioin und Mobile Achtsamkeit: Evaluation eines appbasierten Gesundheitstrainings bei Berufstätigen. Gesundheitswesen 2018: 80; 295 -300. 

Andersen-Reuster, U. (Hrsg.) (2011). Achtsamkeit in Psychotherapie und Psychosomatik. Stuttgart: Schattauer

Weiss, H. & Harrer, M. (2010). Achtsamkeit in der Psychotherapie. Verändern durch „Nicht-Verändern-Wollen“ – ein Paradigmawechsel?, Psychotherapeutenjournal,1, 14-24. http://www.mbsrkoeln.de/artikel/MBSR_Veraendern.pdf

 

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